Die Weltreiseberichte von Humboldt, Krusenstern und Langsdorff by Christine Peters

Die Weltreiseberichte von Humboldt, Krusenstern und Langsdorff by Christine Peters

Autor:Christine Peters
Die sprache: eng
Format: epub
Herausgeber: De Gruyter
veröffentlicht: 2022-10-03T20:56:24.092000+00:00


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Georg Heinrich von Langsdorff: Vergleichen und Ethnografie

Während Adam Johann von Krusenstern die erste Weltumsegelung des Zarenreichs vorbereitete und leitete, begleitete Georg Heinrich von Langsdorff sie als Arzt und Naturforscher. Langsdorff nahm nicht nur in anderer Funktion an der Weltreise teil, sondern erlebte in Teilen auch eine andere Reiseroute. Nach dem Aufenthalt in Nagasaki steuerte die Expedition im Mai 1805 ein drittes Mal Kamtschatka an, um sich hier schließlich für die nächste Etappe der Reise aufzuteilen: Unter der Leitung Krusensterns machte sich das Schiff Nadeshda zu einer Erkundung Sachalins auf, während die Newa unter der Leitung des Gesandten Nikolai Petrowitsch Resanow die russländischen Kolonien und Handelsposten im Nordpazifik und an der nordamerikanischen Küste ansteuerte. Langsdorff schloss sich dem von Resanow geleiteten Teil der Expedition an und lernte so nicht nur die Kolonie Kamtschatka, sondern auch die russländischen Herrschafts- und Einflussgebiete auf den Aleuten und in Alaska kennen. Nach der Reise durch diese Gebiete verließ Langsdorff die Expedition und kehrte über Kamtschatka, Sibirien und die östlichen Territorien des russländischen Imperiums nach St. Petersburg zurück.1

Sein Reisebericht, die Bemerkungen auf einer Reise um die Welt (1810–1812), erzählt den gesamten Verlauf der Reise, schenkt aber der Beschreibung zweier Weltregionen besondere Aufmerksamkeit. Erstens widmet Langsdorff ebenso wie Krusenstern einen Großteil seines Berichts der Beschreibung der südpazifischen Insel Nuku Hiva – der einzigen Station der Reise, die zuvor nicht von anderen Europäern erkundet worden war.2 Darüber hinaus räumt Langsdorff auch der Beschreibung der russländischen Kolonien im Nordpazifik einen besonderen Raum ein. Beiden Textpassagen ist gemeinsam, dass Langsdorff hier nicht so sehr aus der Perspektive eines Arztes oder Naturforschers, sondern eher aus der eines Ethnografen schreibt.3 Diese Ausrichtung des Textes erlaubt es, die übergreifenden Fragen dieser Studie in den ethnografischen Bereich zu übertragen: Welche Art von Weltwissen erzeugt Langsdorff mithilfe ethnografischer Vergleiche? Was für eine Auseinandersetzung mit der Welt findet in Vergleichen statt, die zu ethnografischen Zwecken durchgeführt werden?

Das vorliegende Kapitel belegt die übergeordnete These dieser Studie, indem es zeigt, dass Langsdorffs ethnografische Vergleiche sowohl relationales, zeitliches als auch hierarchisches Weltwissen herstellen. Die Analyse fokussiert allerdings auf ethnografische Vergleiche, die hierarchische Formen von Weltwissen aushandeln. Insbesondere die folgenden zwei Fragen sollen adressiert werden: Wie erzeugt Langsdorff mithilfe ethnografischer Vergleiche imperialistische, kolonialistische und eurozentristische Weltentwürfe? Wie nutzt er ethnografische Vergleiche, um diese Weltentwürfe einer Kritik zu unterziehen?

Dieser analytische Fokus hat spezifische Gründe. Zum einen lässt sich die Ethnografie wie in den vorangegangenen Kapiteln bereits gezeigt als Ort verstehen, an dem imperialistische Diskurse sowohl aktualisiert und gestärkt als auch kritisch hinterfragt werden können.4 Das vorliegende Kapitel untersucht anhand von ethnografischen Vergleichen, inwieweit sich diese Hybridität aus Affirmation und Kritik in Langsdorffs Reisebericht niederschlägt und welche Formen von Weltwissen in diesem Zusammenhang entstehen. Zum anderen gehört Langsdorff zu jener Gruppe deutschsprachiger Naturforscher, die für andere Imperien reisen, selbst keine dezidiert imperialistischen Posten übernehmen und sich somit – zumindest in der Theorie – mehr Distanz zu den imperialistischen Projekten der europäischen Nationen leisten können.5 Langsdorff weist in Bezug auf seine institutionelle Einbindung in der Tat eine gewisse Distanz zum russländischen Imperialismus auf:



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